Hühnerstall VIDAXL, Stahl, verzinkt
2023








Der "Hühnerstall VIDAXL" steht auf einem Parkplatz zwischen den parkenden Autos, mitten in der Tiefgarage unterhalb des Knödelplatzes. Er befindet sich direkt auf dem Asphalt, inmitten von Abgasen und permanentem Neonlicht. Stroh, Futter- und Wassertröge deuten auf die Versorgung von Lebewesen hin. Der Stall ist zwar unbewohnt, dennoch zeugen eine größere Anzahl von Eiern davon, daß hier einmal gebrütet wurde. Die Eier sind schwarz, teilweise deformiert und aus manchen stehen Glassplitter heraus.

Die Arbeit unterstreicht den enormen Verdrängungs-
mechanismus, der es uns als Gesellschaft erlaubt, unsere Mitlebewesen rücksichtslos zu unterdrücken und auszubeuten...
Angeregt von den Forschungen der WissenschaftlerInnen des Fraunhofer IAO über den aktuellen Lebensmittelverbrauch des Werksviertels, begann Judith Egger damit, sich intensiver mit der Produktion von Eiern und dem Leben der Hühner zu beschäftigen.
Die Wissenschaftlerinnen hatten ermittelt, daß die Gastronomie des Werksviertels pro Woche 2500 Eier verbraucht. Wie würde es in der Zukunft im Viertel aussehen, wenn die Eier ganz konkret an Ort und Stelle produziert würden?
Für die Dauer der Ausstellung war ein großer mobiler Hühnerhof vorgesehen, der inmitten des Werksviertels platziert worden wäre. Mit diesem und vor allen Dingen mit den Hühnern wollte Judith Egger performativ in Interaktion treten. Es stellte sich aber heraus, daß der Inhaber dieses Hühnerhofs seinen Plan geändert hatte - er konnte die Normen und Vorgaben der professionellen Hühnerhaltung nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren und verkaufte seinen Betrieb.
Dies wiederum lenkten das Augenmerk Judith Eggers auf die problematischen Aspekte der Eierproduktion.
Die Installation „Hühnerstall VIDAXL, Stahl, verzinkt“ weist auf die naturfernen, gewaltvollen Aspekte unserer aktuellen Lebensmittelproduktion hin.
Die Arbeit unterstreicht den enormen Verdrängungsmechanismus, der es uns als Gesellschaft erlaubt, unsere Mitlebewesen rücksichtslos zu unterdrücken und auszubeuten und ihnen jeden Anspruch auf ein artgerechtes und naturnahes Leben abzusprechen.
Da sich die Ausstellung „fu:topia“ besonders mit der Lebensmittelproduktion der Zukunft befasst, will diese Installation hier einen Impuls setzen. Wäre es nicht angebracht, das Wohl von Tieren und Pflanzen wieder viel mehr in den Fokus zu nehmen und bei allen Überlegungen zur Zukunftsgestaltung an vorderster Stelle
immer mitzudenken?
... und ihnen jeden Anspruch auf ein artgerechtes und naturnahes Leben abzusprechen.

fu:topia
Utopisch-dokumentarische Sichtweisen auf die urbane Lebensmittelproduktion
Wo endet die Kunst und wann beginnt die Wissenschaft? Im Ergebnis sprengen häufig beide Wege die menschliche Vorstellungskraft, sicher aber bei »fu:topia«:
Im Rahmen des vom Rahmenprogramm des Fraunhofer-Netzwerks »Wissenschaft, Kunst und Design« geförderten Projekts haben Kunstschaffende und Forschende Sichtweisen auf die urbane Lebensmittelproduktion der Zukunft am Modell des Stadtquartiers im Münchner Osten entwickelt. Diese stellen sie nun vom 11. Juli bis 13. September 2023 in der immersiven Ausstellung »fu:topia« im gesamten Werksviertel-Mitte aus.
In unterschiedlichsten Darstellungsformen an den Grenzen der Bildenden Kunst werden Realitäten, Utopien und Dystopien subversiv erforscht und erlebbar gemacht. Dem zugrunde liegen wissenschaftliche Erkenntnisse, die auf lokal erhobenen Daten, aktuellen Entwicklungen und Trendanalysen aus der Forschung basieren. »Die Szenarien bilden eine wichtige Grundlage, um anhand von stimmigen Bildern für das Werksviertel-Mitte mögliche Zukünfte zu besprechen und zu reflektieren, welche Zukunft wahrscheinlich, wünschenswert oder zu vermeiden ist.« erläutert Projektleiterin Vanessa Borkmann.
Im Rahmen der Ausstellung werden Fragen gestellt, Antworten simuliert und interaktive Berührungspunkte mit der Zukunft geschaffen. Wissenschaftlich fundierte Zukunftsszenarien gehen Hand in Hand mit künstlerischen Fiktionen. Das romantische Bild einer stadtteileigenen Hopfenplantage trifft auf die Realität der urbanen Eierproduktion mit all seinen Nebeneffekten. Thematisiert werden die Auswirkungen von hocheffizienten Agrarsystemen, die unendlichen Upcycling-Zyklen von Abfallprodukten, technologisierte Häuserfassaden, die zum Lebensmittelanbau herangezogen werden, aber auch hydroponische Schreibtische, die zu einem Wunderwerk der Lebensmittelerzeugung werden. Wer jetzt noch glaubt, dass Fische zukünftig nicht in Büros gezüchtet werden, sollte sich schleunigst in den starken, aber frischen Wind der »fu:topia« begeben.

Ausstellungen
kuratiert von Martina Taubenberger und Benjamin Jantzen